Daseinsanalyse und NLP

In seiner berühmten Daseinsanalyse in Sein und Zeit hat Martin Heidegger die Sorge als das zentrale Existential des menschlichen Daseins bestimmt. Mit Sorge meint er nicht Sorge im Sinne von Bekümmertsein sondern sich kümmern um sich selbst. 

Und dieses sich kümmern um sich selbst bedeutet bei uns Menschen immer gleichzeitig einen Entwurf von sich selbst zu haben. Das heißt ein Zukunftsbild. 

Auch in der Neurophysiologie wird die menschliche Fähigkeit sich bewusst auf Vergangenheit und Zukunft beziehen zu können als eine der wichtigsten Neuentwicklungen des menschlichen Gehirns relativ zu Primatengehirnen bestimmt. Und auch im NLP ist sowohl die Zielorientierung im therapeutischen Prozess als auch die Arbeit mit der Timeline vorwiegend auf Vergangenheit und Zukunft bezogen. Die Gegenwart, das Jetzt, spielt in der Timeline Arbeit, aber auch im normalen Coaching Prozess, eher eine untergeordnete Rolle. 

Die Wahrheit ist aber unser Leben findet immer nur im Jetzt statt – auch wenn wir uns erinnern, erinnern wir uns Jetzt. Und das woran wir uns erinnern war damals Jetzt. Und das gleiche gilt für alle Zukunftsentwürfe. Wir machen den Entwurf jetzt, und falls der irgendwann mal Realität werden sollte, kann das nur im Jetzt passieren. 

Insofern wurde das Jetzt sowohl in der Philosophie wie auch in der Psychotherapie eher stiefmütterlich behandelt. 

Anders in vielen spirituellen Traditionen, in denen das Leben im Hier und Jetzt eine viel zentralere Rolle spielt. Allerdings manchmal mit der Übertreibung als wenn die Beschäftigung mit der Vergangenheit oder der Zukunft völlig überflüssig wäre. Beide Einseitigkeiten können in einem spirituell orientierten NLP überwunden werden. Wie dies im Einzelnen praktisch zu gestalten ist wird sowohl im neuen NLP Practitioner als auch im NLP Master einen wichtigen Platz einnehmen. Dazu gehört auch, dass der Bewusstseinsraum als Bewusstseinsraum thematisch Eingang findet in die konzeptuelle Arbeit. Bisher können immer nur NLP und alle anderen psychotherapeutischen Verfahren als eine Art Innenarchitektur des Bewusstseinsraum bezeichnet werden. 

Wir beschäftigen uns mit inneren Bildern, Körpergefühlen, inneren Stimmen und den Submodalitäten dieser Repräsentation. Aber nicht mit der Bedingung der Möglichkeit dieser Repräsentation, nämlich dem Bewusstseinsraum und dem Gewahrsein, oder dem was Heidegger die Lichtung des Seins genannt hat, als solchem. 

Auf der Ebene der Submodalitäten stellt sich die Frage wie der virtuelle Raum, in dem wir z.B. unsere inneren Bilder sehen, wahrzunehmen ist, ohne diese inneren Bilder, bzw. ohne inneren Dialog (Gedanken). Und wenn die inneren Stimmen und Bilder aufhören bedeutet das eben nicht, dass wir bewusstlos werden, sondern das sich unsere Bewusstheit auf sich selbst bezieht und eben nicht auf irgendwelche Inhalte. Das dies leichter gesagt als getan ist, weiß jeder, der sich schon mal mit Meditation beschäftigt hat. Unseren Verstand zur Ruhe zu bringen ist ungefähr so, wie einen Sack Flöhe hüten. Aber Gott sei Dank gibt es verschieden Techniken wie z.B. Hypnose, auch Selbsthypnose, die es uns leichter machen können den Zustand bewusster Leere herzustellen und einzunehmen. 

Und wie mit jedem anderen Bewusstseinszustand auch ist es eine Übungsfrage wie leicht oder schwer es uns fällt in den Bewusstseinszustand zu kommen oder längere Zeit in diesem Bewusstseinszustand zu bleiben. 

Wobei das Wort Zeit im vorigen Satz schon missverständlich ist. Weil in diesem Zustand selbst kann man gar nicht merken wie lang man drin war oder nicht, weil es niemanden gab, der es beobachten konnte. D.h. die Selbstvergessenheit ist ein Zustand, der sich dadurch auszeichnet, dass man nicht gleichzeitig darauf reflektiert, was man in diesem Zustand gleichzeitig ist – oder im Zen würde man sagen, es ist Keiner zuhause. 

Wenn man nicht mit Hypnose arbeiten möchte, kann man sich auch vorstellen, dass man die Submodalitäten eines inneren Bildes immer heller und heller oder immer dunkler und dunkler macht bis nichts mehr zu erkennen ist. In einigen Meditationsschulen spricht man auch vom schwarzen Spiegel, indem sich eben nichts spiegelt. Weder Eindrücke von außen, noch innere Vorstellungen, was übrigbleibt ist reine Bewusstheit. Ohne ein reflektierendes ICH was darauf reflektiert, dass es gerade keine bewussten Inhalte hat. Da diese Reflektion wieder einen Inhalt hätte. 

Das größte Problem bei diesem Leerwerden besteht darin, dass für unseren Beobachter der Zustand dass nichts zu beobachten ist schier unerträglich ist. Und er darum in diesem Prozess ständig hineingrätscht. Allerdings kann man mit diesem inneren Beobachter arbeiten wie mit jedem anderen Teil in NLP auch. Man kann seine positive Absicht klären, man kann mit ihm Vereinbarungen treffen und man kann mit seinen Ängsten und Bedenken arbeiten. 

Die Frage, die sich jetzt stellt ist ‚Was habe ich davon ganz im Hier und Jetzt zu sein? 

Die einfache Antwort lautet: ein sorgloses Dasein. Und damit ist nicht gemeint, dass es keine Herausforderungen im Hier und Jetzt gibt, sondern dass sich Sorgen im Sinne von Bekümmertsein, Angst haben, aber auch ein schlechtes Gewissen haben, Zustände sind, die notwendigerweise voraussetzen, dass wir mit unserem Bewusstsein entweder in der Zukunft oder in der Vergangenheit sind. D.h. die Freude am Dasein vermiesen wir uns selber vorwiegend dadurch, dass wir eben nicht ganz im Hier und Jetzt sind. Und unser Verstand gibt uns tausend gute Gründe warum wir eben gerade jetzt nicht im Hier und Jetzt sein sollten sondern woanders. Diese unangenehme Angewohnheit unseres Denkapparates kann man sich im Prinzip genauso abgewöhnen wie jede andere unangenehme Eigenart. Allerdings etwas schwerer, da es eben nicht irgendeine Angewohnheit ist, wie z.B. bei Stress an den Nägel zu kauen, oder bei Einsamkeitsgefühlen zu viele Süßigkeiten zu essen sondern es ist die Daseinsgrundbefindlichkeit des Menschen seit Tausenden von Jahren. Zeugnisse aus allen Hochkulturen zeigen und in ihnen ihre erleuchtetsten Repräsentanten wie Buddha oder Jesus, dass diese Daseinsgrundbefindlichkeit schon von diesen Weisheitslehrern als das Haupthindernis für ein erfülltes Leben gesehen wurde. Die Einsicht ist also nicht neu, sondern immer wieder neu – so lange bis die Menschheit diese einfach Lektion gelernt haben wird. Und bisher waren die einzigen Werkzeuge, die dafür zur Verfügung standen Meditation und Gebet. Wir können uns aber die Werkzeuge des NLP zu nutzen machen um uns, sofern wir das wollen, auf diesem Weg zu unterstützen. Und die Kirsche auf der Sahnetorte ist eben nicht nur ein sorgloses Dasein, sondern ein kreatives Dasein. D.h. Kreativität entspringt dem Bewusstseinszustand im Hier und Jetzt zu sein, wie alle wirklich kreativen Menschen in ihren Selbstzeugnissen immer wieder bestätigt haben. Und in letzter Zeit hat sich dafür der Ausdruck ‚im Flow sein’ eingebürgert. 

Klaus Grochowiak 9.12.2016 

Der Wert als Fetisch 

Nichts hat einen Wert, außer wir vergeben einen. 

Die Welt ist wie sie ist und wird durch ihre Bewertung nicht anders. Erst als sich in diesem Universum eine spezielle Lebensform entwickelt hatte, die über Sprache verfügte, konnte aus dem tierischen Bevorzugen oder Ablehnen so etwas wie eine Bewertung und dann die Nominalform des Wertes entstehen. 

In dem Moment, in dem der Mensch vergisst, dass es seine relativ willkürliche Bewertung war, die den Wert als solchen durch einen Sprechakt hervorgebracht hat, wird der Wert zu etwas, was das so bewertete Ding oder Subjekt an sich hat. In diesem Moment wird der Wert zum Fetisch. 

Karl Marx spricht in seinem Hauptwerk Das Kapital im ersten Band vom Warenfetisch. Er meint damit den Umstand, dass Produkte an sich keinen Wert haben, sondern dass sich im Wert eines Produkts die gesellschaftlich durchschnittliche Arbeitszeit ausdrückt. 

„Dass Arbeitsprodukte, solche nützlichen Dinge wie Rock, Leinwand, Weizen, Eisen usw., Werte, bestimmte Wertgrößen und überhaupt Waren sind, sind Eigenschaften, die ihnen natürlich nur in unsrem Verkehr zukommen, nicht von Natur, wie etwa die oder warm zu halten oder zu nähren.

In diesem Sinne ist Wert auch immer etwas Relatives. So ist eine Ware z. B. das doppelte wert wie eine andere, und der Preis einer Ware ist die allgemeine Form, in der diese Relativität ihren abstrakten Ausdruck findet. 

In der Psychotherapie wird dieser Wertfetisch besonders problematisch, wenn es um den so genannten Selbstwert geht. Dies äußert sich z. B. in Formulierungen wie „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden.“ Oder „Ich bin mich nichts wert.“ Oder „Ich habe einen zu geringen Selbstwert.“ 

In all diesen Formulierungen schwingt die Vorannahme mit, dass Selbstwert etwas ist, was wie eine Eigenschaft (Körpergröße, Augenfarbe usw.), gehabt oder eben nicht gehabt werden kann. 

Dabei wird verdrängt, dass Wert immer eine Relation anzeigt: X ist für Y etwas wert. Im NLP würde man hier sofort fragen: „Für wen bist du nichts wert (gewesen)?“ Und im Regelfall beginnt die entsprechende Erfahrung natürlich bei den Eltern. Diese bewerten ihr Kind dadurch, wie sie sich ihm gegenüber verhalten; und wie sie sich relativ z. B. zu den Geschwistern verhalten. 

Darüber hinaus gibt es dann womöglich auch noch explizite Zuschreibungen, wie „Du bist zu gar nichts zu gebrauchen!“ Oder: „Frauen sind weniger wert als Männer.“ „Wir haben uns auf einen Sohn als Stammhalter gefreut, und jetzt kommt noch ein Mädchen … welch eine Enttäuschung.“ 

Das Kind übernimmt dann die Bewertungen der Eltern und hält sich selbst für nichts wert. 

Dieser Prozess wird noch dadurch unterstützt und verschärft, dass auch in der Gesellschaft der Wert eines Menschen durch seine Intelligenz, seine Schönheit, seinen Erfolg usw. bemessen wird. 

In früheren Gesellschaften ging diese Fetischisierung sogar so weit, dass man geglaubt hat, dass Menschen, die aus einer adligen Familie stammen, von Hause aus mehr wert sind; sie haben blaues Blut. 

Auch wenn wir diese Fetischisierung überwunden haben, bedeutet das nicht, dass wir jenseits der Fetischisierung angekommen sind. 

Und auch der Versuch, den Wert eines Menschen als unantastbar – wie in unserem Grundgesetz – zu erklären, ist schon in seiner Formulierung abstrus. „Unantastbar“ bedeutet, dass es gar keine Möglichkeit gibt, ihn anzutasten. Die gesellschaftliche Realität auf unserem Globus beweist uns minütlich, dass der Wert und die Würde von Menschen angetastet und mit Füßen getreten werden. 

Richtiger wäre wohl die Formulierung, dass wir selbst unter keinen Umständen die Entwürdigung von Menschen billigen wollen. Praktisch äußert sich das z. B. im Verbot der Folter durch staatliche Organe; und zwar unter allen Umständen. 

Aber auch hier wird immer noch so getan, als ob es so etwas wie den Wert oder die Würde des Menschen an sich gibt. 

Und all denen, die im gesellschaftlichen Bewertungsspiel notorisch am unteren Ende zu finden sind, hat man ein Trostpflaster verpasst. Als Kinder Gottes sind sie geliebt und haben einen unveräußerlichen Wert. 

Selbstwert ist also immer die Verinnerlichung der erfahrenen Bewertungen durch andere bzw. die Übernahme der gesellschaftlich gängigen Bewertungsmaßstäbe. Und aus der schlichten Tatsache, dass Menschen sich sehr unterschiedlich, ja gegensätzlich bewerten, folgt, dass niemand einen Wert hat oder haben kann. Jeder kann aber zum Gegenstand von Bewertungen werden, auch von seinen eigenen. 

In diesem Sinne wäre die radikalste Lösung des so genannten Selbstwertproblems die Aufgabe der Vorstellung, dass Menschen überhaupt einen Wert haben. Ihre Arbeitsleistung, ihre Intelligenz, ihre Schönheit usw. kann in einem bestimmten Kontext und für bestimmte andere Menschen einen Wert haben, aber niemand hat einen Wert an sich. 

Diese Überlegung ist sehr leicht intellektuell nachvollziehbar, aber nur sehr schwer lebbar. Dies ist auch der Grund, warum so viele Menschen depressiv werden, wenn sie z. B. ihre Arbeit verlieren oder einen bestimmten sozialen Status. Sie fühlen sich wertlos, weil sie keine Werte mehr schaffen. 

Bei nomadisierenden Stämmen war es oft so, dass sich die Alten und Gebrechlichen zum Sterben zurückgezogen haben, da sie für den Stamm zu einer Last wurden, sie konnten nichts mehr beitragen. 

Und im Faschismus gab es den schrecklichen Ausdruck des lebensunwerten Lebens. Und damit wurde die Haltung von Tierzüchtern auf Menschen übertragen. Wenn Menschen Tiere oder Pflanzen züchten, dann möchten sie, dass die Exemplare bestimmte Eigenschaften haben und andere eben gerade nicht. Und all die Exemplare, die dieser Vorstellung nicht entsprechen, werden aussortiert. 

Und ich möchte behaupten, dass der Fetisch des Wertes eines Menschen schon im Keim diese Haltung beinhaltet; und all die Beteuerungen vom Wert des menschlichen Lebens und von der Gott-Ebenbildlichkeit haben zu keiner Zeit die schlimmsten Grausamkeiten verhindert. 

Der wirkliche Ausstieg aus der Konditionierung des Wertfetischs ist nach meiner Erfahrung nicht dadurch zu erreichen, dass man die Entwertungen reframt, sodass der Klient doch so etwas wie Selbstwert erfahren kann. Eine Illusion, die sich besser anfühlt, bleibt immer noch eine Illusion. 

Der innere Vollzug, der es ermöglicht, aus dem Wertefetischismus auszusteigen, ist durch das intellektuelle Verstehen seiner Haltlosigkeit noch lange nicht gewährleistet. Erst die für das Ego niederschmetternde Erfahrung der absoluten Sinnlosigkeit des eigenen Lebens, die durch keine Sinnkonstruktion aufgehoben werden kann, ermöglicht, wenn überhaupt, eine existenzielle Wende, die den Menschen mit seinem Dasein in der Welt auf eine Weise versöhnt, die die Frage nach dem Selbstwert als lächerlich erscheinen lässt. 

Dieser Vollzug, der manchmal auch als der Tod des Egos bezeichnet wird, kann durch keine Psychotherapie, durch keinen spirituellen Weg, durch keine Praxis des Übens gewährleistet werden. Darum ist er auch so selten. Denn an Angeboten für Erleuchtungswege mangelt es seit vielen tausend Jahren nicht. 

Der Hinweis, dass der Mind, also unsere Fähigkeit, Bedeutungen und Bewertungen zu produzieren und ein entsprechendes Weltmodell, der eigentliche Störenfried ist und daher überwunden werden müsste, mag zwar seine Richtigkeit haben, bleibt aber als solcher völlig wirkungslos. Und auch die Übungswege, Koans, Meditation usw. produzieren eben nicht reihenweise erleuchtete Individuen. 

Als Psychotherapeuten sollten wir das wissen und beherzigen. D. h. wir können mit unseren Mitteln krankmachende Fremd- und Selbstbewertungen durchschaubar machen und ihnen dadurch ihre Macht nehmen, aber dadurch ist noch niemand aus dem Wertfetischismus befreit worden. 

Wir können sogar die Fragwürdigkeit des so genannten Selbstwerts in bestimmten Grenzen erlebbar machen, aber ob dieser Zustand für die betreffende Person aushaltbar ist, dass entzieht sich völlig dem Einfluss jedes Menschen auf einen anderen Menschen; hier ist jeder ganz bei sich – oder eben nicht. 

Klaus Grochowiak, Januar 2012 

Mehr Stabilität im Alltag

Coaching setzt bei konkreten Situationen an, die uns immer wieder begegnen und zu schaffen machen. Nach erfolgreichen Coaching-Einheiten und Trainings fragen mich immer wieder Coachees, was sie tun sollen, wenn sie erneut mit unliebsamen Situationen konfrontiert werden und in der Folge ihr konkretes Problem wiederkehrt.

Ein Manager beispielsweise, der unter Redeangst leidet, kommt in seinem Berufsalltag immer wieder in die Situation vor einem Publikum zu sprechen. Nach dem Coaching ist vor der Veränderung. Bedeutet, es braucht Ausdauer – und mit Ausdauer lässt sich quasi jedes Thema überwinden.

Dauerhafte Veränderungen sind möglich

In meinem Artikel „Wie dauerhaft sind Veränderungen im Coaching?“ in der aktuellen Ausgabe des HERO MAGAZINEs nenne ich drei Möglichkeiten, mit denen der Coaching-Erfolg auch nachhaltig bewahrt und aufrecht erhalten werden kann, sodass jeder mehr Stabilität im Alltag erleben kann. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch der Blick in die eigene Vergangenheit und die Arbeit an dem »inneren Kindergarten«.

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel: Susanne Lapp – HERO MAGAZINE