Vom Nebel zur Klarheit im Kopf

Vom Nebel zur Klarheit im Kopf

von Dr. Susanne Lapp

 

Früher erlebte ich es regelmäßig. Wenn ich versuchte, ein Gespräch mit einem Vorgesetzten vorzubereiten, zogen gefühlt ganze Nebelbänke durch mein Hirn. Von einem Moment auf den anderen war kein klarer Gedanken mehr zu fassen.

Normalerweise habe ich mit Denken wenig Probleme – zumindest, wenn ein mit Auszeichnung bestandenes Abitur und Studium irgendein Indikator für diesbezüglichen Erfolg sind. Doch wo kam immer wieder dieser Nebel her? Lange hatte ich auf diese Frage keine Antwort. Und natürlich erst recht nicht auf die noch viel drängendere Frage, wie ich diese Nebelschwaden wieder los werde.

Systemischer Nebel als Ausdruck von Denkverboten

Dann begann ich als Coach zu arbeiten und beobachtete, dass auch viele meiner Klienten von ähnlichen „Nebel-Erfahrungen“ berichteten. Manche berichten auch von einer Leere im Hirn oder dem sprichwörtlichen Brett vor dem Kopf.

Und ich erkannte, in welchen Momenten diese Phänome – kurz: dieser Nebel – in den Hirnen auftauchen, nämlich immer dann, wenn irgendeine (Kindheits-)Erfahrung nicht bewusstseinsfähig ist. Seitdem nennen ich dieses Phänom den „systemischen Nebel“. Er ist regelmäßig ein Ausdruck von Denkverboten aus unserem Herkunftssystem.

Wie kann man sich das vorstellen? Ein Beispiel: Ein Junge hat ein echtes Talent für Mathematik. Gleichzeitig hat er einen Vater, der sich mit Zahlen sehr schwertut und es beruflich nicht weit gebracht hat. Deswegen kann der Vater sich nun nicht über die Begabung seines Kindes freuen. Vielmehr reagiert er jedes Mal gereizt, wenn das Talent aufscheint – und sei es nur, um einen günstigeren Preis von Joghurt im Supermarkt auszurechnen.

Das Kind merkt dies – zumindest unbewusst – schnell. Um die Beziehung zum Vater nicht zu belasten, gewöhnt er sich in der Folge ab, von seiner mathematischen Begabung Gebrauch zu machen. Sein Unbewusstes unterstützt ihn in diesem Ziel, indem es in den entsprechenden Situationen den systemischen Nebel aufziehen lässt. Schon kann das Kind keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Vater ist zufrieden, dass die Zahlenlehre dem Filius nun genauso schwerfällt wie ihm selbst. Der systemische Nebel hat seine Schuldigkeit getan.

Dreißig Jahre später wird aus dem Kind vielleicht ein erfolgreicher Projektleiter geworden sein. Lediglich der Zahlenapparat wird ihm Schwierigkeiten bereiten. Und er wird ins Coaching kommen, weil er sich über den komischen Nebel wundern wird, der in seinem Hirn zuverlässig dann aufzieht, wenn er Zahlen aufbereiten soll.

Also wenn das Unbewusste schon bei eher harmlosen Auslösern wie dem eben Geschilderten mit Vernebelung reagiert, dann ist es offensichtlich, dass es das erst recht bei dem Erleben von Gewalt, Verlust von wichtigen Bezugspersonen oder Missbrauch tut. So schützt das Unbewusste vor Erinnerungen, die aus der Sicht des Kindes als unerträglich erlebt wurden.

Doch auch wenn der systemische Nebel zunächst eine sinnvolle Erste-Hilfe-Maßnahme der Psyche ist, erweisen sich die damit verbunden Denkblockaden als einschränkend. Dann wird es Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.

Wege zur Klarheit

Wie bringt man nun diesen den systemischen Nebel – und mit ihm die Denkblockaden – zum Verschwinden? Zum Glück haben sowohl das NLP wie auch die Aufstellungsarbeit dafür eine ganze Reihe von Instrumenten parat, die sich entweder gut erlernen lassen oder zumindest im Rahmen eines Coachings zum Erfolg führen:

  • Arbeit mit Submodalitäten. Letztlich handelt es sich bei dem Nebel um ein selbsterzeugtes inneres Bild. Dieses lässt sich häufig verschieben, verkleinern oder heller machen. Manchmal kann man sich auch vorstellen, dass man eine Windmaschine anstellt, die den Nebel wegpustet und so die dahinterliegenden Bilder und Erinnerungen freigibt.
  • Arbeit mit inneren Anteilen. Selbstverständlich kann man den systemischen Nebel auch einfach als einen Persönlichkeitsanteil begreifen. Schließlich ist er ja genau das, ein Teil von uns. So kann man seine gute Absicht erkunden und gegebenenfalls mit ihm über bessere Wege verhandeln, wie er sein Ziel erreichen kann, als ausgerechnet über eine Denkblockade.
  • Systemischer Re-Imprint.Im Rahmen eines systemischen Re-Imprints wird mit dem kindlichen Anteil und den damals relevanten Bezugspersonen gearbeitet. Man kann diese solange mit Ressourcen versorgen, bis keine im wahrsten Sinne des Wortes „undenkbare“ Situation mehr für das Kind entsteht.
  • Insbesondere, wenn sich der systemische Nebel hartnäckig hält und die damit verbundenen Denkblockaden sehr belasten, empfiehlt sich eine Familienaufstellung. Manchmal haben sich die „undenkbaren“ Ereignisse nämlich nicht in der eigenen Biografie ereignet, sondern liegen einige Generationen zurück. So hat vielleicht der Großvater im Krieg Unerträgliches erlebt, über das er nie wieder nachdenken wollte. Und diese Denkblockade ist dann bei dem Enkel gelandet, dem sie heute das berufliche Fortkommen erschwert.

Fazit: Klarheit ist machbar

Kein Nebel, keine Denkblockade kann sich dauerhaft gegen unseren Willen in unserem Kopf halten. Dies weiß ich nicht nur aus der Arbeit mit vielen Ausbildungsteilnehmern und Klienten, sondern auch aus eigener Erfahrung.

Für mich selbst gehört der Nebel schon seit vielen Jahren der Vergangenheit an und ich genieße die gewonnene Klarheit auch bei schwierigen strategischen Fragestellungen. Der Weg dorthin hat sich für mich auf alle Fälle gelohnt.

2 comments on “Vom Nebel zur Klarheit im Kopf

  • Ulrike Ronge says:

    Hallo Frau Dr. Lapp,
    vielen Dank für den interessanten Artikel.
    Zum Thema „Systemischer Re-Imprint“ habe ich die Frage: „Wie kann man bei einer Familienaufstellung feststellen, dass die „undenkbaren“ Ereignisse auf zurückliegende, nicht in der eigenen Biografie sondern in einigen zurückliegenden Generationen liegen, wenn Eltern und Großeltern gar nicht mehr leben – d.h. eine Bestätigung diesbezüglich gar nicht mehr erbracht werden kann? Oder ist diese Erklärung nur Mittel zum Zweck, seine Blockade zu überwinden – sprich den Nebel zu lichten – egal ob dies nur wahr ist oder nicht?
    Danke für eine Rückantwort und viele Grüße

    Ulrike

    Reply
    • Susanne Lapp says:

      Liebe Ulrike,

      da gibt es ein tiefes unbewusstes Wissen in uns, ob das Symptom in der eigenen Biografie entstanden ist oder aus dem Familiensystem übernommen. Die Techniken unterrichten wir auch in unserer Ausbildung. Sie sind gut erlernbar und anwendbar, würden jedoch den Rahmen dieser Antwort sprengen. Vielleicht haben Sie Lust, zunächst einmal als Gast bei einem Aufstellungswochenende dabei zu sein? Da bekommen Sie einen guten Eindruck davon, wie wir genau den von Ihnen angesprochenen Unterschied erkennen. Sind weitere Fragen offen? Gerne erreichen Sie mich auch unter der 069 – 40 32 48 79.

      Herzliche Grüße

      Susanne

      Reply

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