Wo geht systemisches NLP über NLP hinaus? wie kann es Trauma heilen? Interview mit Sebastian Isserstedt

Im Januar hatte ich das Vergnügen, von Sebastian Isserstedt, Inhaber von Brainhacker Coaching, zum Interview auf seinen YouTube-Kanal eingeladen zu sein.

Er hatte mein neues Buch, das große Handbuch für den systemischen NLP-Practitioner/Coach, gelesen und wollte mit mir darüber sprechen, wo systemisches NLP über ‚einfaches‘ NLP hinausgeht und wie man es einsetzen kann, um Trauma zu heilen. vielen Dank für die Initiative, lieber Sebastian.

Das große Handbuch für den systemischen NLP-Practitioner/Coach kannst du direkt hier bestellen.

Und nun viel Spaß beim Video.

🧡 Herzlichst

Deine Susanne

PS Du hast ein Thema, über das ich das nächste Mal mit Sebastian sprechen kann? Lass es uns sehr gerne wissen.

Klopfen gegen die Angst & für inneren Frieden

In der Aufzeichnung des Insta Lives vom 28.2.22 zeige ich dir, wie du mit der Klopftechnik EFT deine Ängste reduzieren und inneren Frieden finden kannst.

Vielen Teilnehmer*innen konnten ihre Ängste innerhalb von 20 Minuten auf einer Skaka von 0 – 10 von 8 auf 2 reduzieren.

Probiere es selbst aus!

Hier geht es direkt zur Aufzeichnung (Instagram-Account erforderlich)

Willst du die Unterlagen, einfach Email an info@wildwechsel.biz. 💫🤩

Herzlichst

Deine Susanne

 

Das Selbst

Das Selbst

Ein wichtiges Motiv der Teilnehmer von NLP-Kursen ist die Selbsterkenntnis. Dies ist eine der Forderungen des antiken Denkens, die Griechen nannten das Gnothi seauton.

Uns Heutigen ist neben der Philosophie, Soziologie und Psychologie auch noch die Gehirnforschung gegeben, die uns über die neurophysiologischen Grundlagen der verschiedenen Erscheinungsweisen des Selbst-Bewusstseins aufklärt.

Von ihr erfahren wir, ähnlich wie von verschiedenen philosophischen Schulen, dass es keinen Sinn macht von dem Selbst wie von einem Ding zu sprechen. Dies ist der Kern der Selbstillusion. Selbstheit ist eher als ein selbstreflexiver Prozess in komplex organisierten Organismen zu verstehen. Wir wissen, dass unsere unmittelbare Selbstvertrautheit durch vorbewusste Gehirnprozesse erzeugt wird. Und diese lassen sich relativ leicht täuschen.

Trotz der rasanten Fortschritte in der Gehirnforschung sind wir noch weit davon entfernt zu verstehen wie und ob überhaupt unser Gehirn der Ort ist an dem wir die Quelle von Bewusstsein finden werden. Es stehen sich, grob gesagt, zwei Fraktionen gegenüber. Die eine behauptet: Du bist dein Gehirn! Und die andere verteidigt die Position: Bewusstsein ist die grundlegendste Realität und die Welt ist in diesem Sinne eine Illusion. Und beide Positionen haben starke Argumente.

Die zweite große Forderung, die wir mit den antiken Griechen teilen lautet: Sorge dich um dich selbst! (epiméleia heautoú)

Und auch dies ist eines der Hauptmotive, warum Menschen NLP-Kurse oder ähnliche Veranstaltungen besuchen.

Die Selbstsorge zusammen mit der Selbsterkenntnis, also der Prozess der Selbstentdeckung ist der Chiasmus von Selbstentwurf und Selbstentdeckung.

D.h. wir können unser Selbst nicht wie einen bisher unbekannten Kontinent entdecken, der da ist, unabhängig ob wir ihn entdecken oder nicht. Selbstentdeckung geschieht immer nur dadurch, dass wir uns immer schon irgendwie entwerfen. Wir haben Ziele (die natürlich nicht unbedingt unsere eigenen sein müssen), die wir zu erreichen suchen und uns dabei erfolgreich oder scheiternd erleben.

Dabei entdecken wir limitierende Glaubenssätze, Skriptanforderungen, Konditionierungen, die das Resultat von Traumatisierungen, Konditionierungen und Erwartungen anderer an uns sind.

Diese Entdeckungen führen bei den meisten Menschen dazu, dass sie auf dem Hintergrund des Wertes Selbstbestimmung die Frage nach der Selbstrealisation als drängend erleben.

Dabei kann Selbstrealisation nicht bedeuten so etwas wie das eigentliche Selbst zu entdecken (Selbstillusion). Vielmehr geht es um die Frage wie kann ich mich von den limitierenden Glaubenssätzen und Konditionierungen befreien, um einen möglichst unverstellten Zugang zu meinen eigenen Ressourcen und Bedürfnissen zu bekommen.

Und mit Selbstbestimmung kann keine vollkommene Autonomie, frei von allen äußeren Bedingungen und genetischen Bedingtheiten gemeint sein, sondern die Fähigkeit die Anforderungen vor dem Hintergrund unserer eigenen Bedürfnisse und Ziele zu bewerten.

Dieser Prozess von Selbstentwurf und Selbstentdeckung wird oft als Selbsttransformation erlebt. D.h. wir transformieren uns selbst in unserer inneren bewussten und unbewussten Prozessualität, so dass wir im Selbsterleben und Handeln mehr Selbstliebe und Selbstwert erleben können. 

Wir entwickeln ein Selbstverständnis, das es uns erlaubt uns einerseits als in einem ständigen Entwicklungsprozess zu erleben, ohne uns deshalb als unfertig, unvollkommen usw. zu erleben. D.h. wir sind nicht erst dann O.K., wenn wir ein bestimmtes Entwicklungsziel erreicht haben.

Dieses Selbstverständnis ermöglicht Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.

Ich möchte darauf hingewiesen, dass das Bedürfnis und die Anforderung nach Selbstaktualisierung leicht zu einem erschöpften Selbst führen können, einer andauernden Selbstüberforderung.

Dies hängt unter anderem mit einer Selbstüberschätzung zusammen. If you can dream it, you can do it. Gerade im Umkreis von NLP und anderen Selbstentwicklungspraktiken besteht immer die Gefahr Illusionen über das Machbare im Prozess der Selbsttransformation zu verbreiten. D.h. die Verleugnung sowohl der begrenzten psychischen Ressourcen, der genetischen Bedingtheiten als auch der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bürdet dem Einzelnen eine Verantwortung für den Verlauf und Erfolg seiner Bemühungen auf, die ihn letztlich nur als Versager zurück lassen wird.

Und nach soviel Beschäftigung mit dem Selbst soll letztlich nicht vergessen werden, dass wir uns am Besten in Momenten der Selbstvergessenheit fühlen. Im Flow bei der Arbeit, in schöpferischen Momenten, in der Liebe oder der Meditation. Zuviel Beschäftigung mit uns Selbst tut uns selbst nicht gut.

Die Selbst-Illusion

Sowohl in der Philosophie, als auch in verschiedenen, namentlich asiatischen, spirituellen Traditionen (Advaita Vedanta), geht man davon aus, dass es sich bei der Nominalisierung „das Selbst“ um eine Illusion handelt. 

Wie wir wissen führen Nominalisierungen dazu, dass wir einen Prozess wie ein Ding behandeln. Und in der Tat spricht Descartes davon, dass die Welt aus zwei Substanzen besteht, res extensa (Materie) und res cogitans, die denkende Sache, der Geist. Diese Art von Dualismus wird zwar von der ganz überwiegenden Mehrheit aller religiösen Menschen geteilt, gilt aber in den Neurowissenschaften als eine unhaltbare Vorannahme.

Als NLP’ler wäre die Frage wie können wir das Selbst als Prozess verstehen? Hier sollen erst einmal die wesentlichen Einsichten und Überlegungen vorgestellt werden, die dazu führen „das Selbst“ in seinem illusionären Charakter darzustellen.

Das Hauptargument dieser beiden Traditionen besteht im Wesentlichen darin, dass wir bei der Introspektion zwar Gedanken, Bilder, Gefühle usw. haben, dass uns aber nirgendwo so etwas wie das Selbst begegnet.

D.h. es gibt zwar so etwas wie Wahrnehmung, aber keinen der wahrnimmt. Es wird auch nicht geleugnet, dass es so etwas wie Meinigkeit gibt, also unsere Fähigkeit zwischen Innen und Außen zu unterscheiden, aber die Vorstellung, dass es darüber hinaus auch noch ein Selbst gibt, dass diese Meinigkeit produziert wird als eine Illusion bezeichnet. Dabei wird behauptet, dass diese Illusion ein Erleben erzeugt, nämlich des Selbst, dass es aber, wie bei jeder Illusion, dass was da erlebt wird so gar nicht gibt. Ein gutes Beispiel sind die verschiedenen optischen Illusionen. Sie sind das Ergebnis der Interpretation der Sinnesdaten durch unser Gehirn. Und mehr noch sie verschwinden nicht dadurch, dass wir wissen, dass es sich um eine optische Täuschung handelt.

Diese Illusion wird unter anderem dadurch erzeugt, dass wir das Gefühl haben unseren Körper wie ein Fahrzeug zu bewohnen. So wie wir unser Auto durch die Gegend fahren. Wir haben ein Gefühl der Identität durch die Zeit egal wie sehr sich unser Körper verändert.

Wenn man Menschen fragt wo sich ihr Ich oder ihr selbst befindet, dann antworten die meisten, dass es sich hinter den Augen im Kopf befindet. Und dies erleben wir auch, wenn wir meditieren. Gleichzeitig ist klar, dass es keinen Sinn macht dort eine Art Homunkulus anzunehmen, einen kleinen Mann im Gehirn, oder den berühmten Geist in der Maschine. Denn gebe es ihn, könnten wir die Frage, wo sich sein Selbst befindet wiederholen und würden so in einen unendlichen Regress landen.

Schon bei Aristoteles (384-322) finden wir erste Überlegungen zu diesem Thema in seinem Buch Von der Seele (De Anmia):

„Da wir wahrnehmen, dass wir sehen und hören, müssen wir entweder mit dem Gesichtssinn wahrnehmen, dass er sieht, oder mit einem anderen. Aber (dann) wird derselbe Sinn sich auf das Sehen und auf die gegenständliche Farbe richten oder der eine auf sich selbst. Ferner, wenn auch die Wahrnehmung vom Sehen eine andere wäre, so würde dies entweder ins Unendliche gehen, oder eine würde sich auf sich selbst richten. Daher kann man dies (sogleich) bei der ersten (Wahrnehmung) ansetzen. Es gibt hier aber eine Aporie: Wenn nämlich Sehen das Wahrnehmen mit dem Gesichtssinn ist, gesehen aber wird die Farbe oder das, was sie hat, so würde, wenn man das Sehende sähe, das erste Sehende Farbe haben.“ Buch III, Kap. II, 45 2b:2

Kant spricht in diesem Zusammenhang von dem inneren Sinn:

„Der innere Sinn, vermittelst dessen das Gemüt sich selbst oder seinen inneren Zustand anschaut, gibt zwar keine Anschauung von der Seele selbst, als einem Objekt; allein es ist doch eine bestimmte Form, unter der die Anschauung ihres inneren Zustandes allein möglich ist, so dass alles , was zu den inneren Bestimmungen gehört, in den Verhältnissen der Zeit vorgestellt wird.“ (KrV tr. Ästhetik § 2 (178-Rc 95)

Spezielle Probleme der inneren Wahrnehmung:

  • • „Innere Wahrnehmung“ ist nur eine Metapher.
  • • Was ist das Organ der Wahrnehmung? Es gibt im Moment keinerlei Hinweis, dass es so etwas wie ein Organ der inneren Wahrnehmung gibt.
  • • Gibt es eine spezifische Modalität des Bewusstseins? (Datenformat)
  • • Wahrnehmung erfasst prinzipiell nur konkrete Objekteigenschaften.
  • • Es ist aber der intentionale Gehalt des Zustands erster Stufe, der bewusst gemacht werden soll.

Gleichzeitig ist unser Gehirn in der Lage die Vielzahl unserer simultanen Erfahrungen zu einem in sich geschlossenen Erfahrungsraum zu synthetisieren und uns dabei den Eindruck zu vermitteln, dass es so etwas wie das Zentrum dieser Erfahrungen gibt. 

Auch die heutige Gehirnforschung bzw. die Gehirnforscher die sich  den neurologischen Grundlagen des Selbst-Gefühls beschäftigen sind sich einig, dass es keinen Sinn macht von dem Selbst zu sprechen.

Um genauer zu verstehen, wie die Erlebnisse zu interpretieren sind, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass unser Gehirn in jeder Hemisphäre eine eigene Form des Selbstempfindens erzeugt. Diese Einsicht verdanken wir den Versuchen mit Split-Brain Patienten, bei denen die beiden Gehirnhälften operativ getrennt wurden, dadurch, dass das Corpus callosum durchtrennt wurde. Das Selbst in der linken Gehirnhälfte, in der auch unsere Sprachzentren lokalisiert sind, ist unser linguistisches Selbst. Dies ist das Selbst, das wir in unseren alltäglichen Verrichtungen erleben und aus dem heraus wir unsere sozialen Kommunikationen heraus organisieren.

Die beiden linguistischen Zentren sind das Broca-Areal und das Wernicke-Areal. Das erste dient der Spracherzeugung und das zweite dem Sprachverstehen.

Das Selbst der rechten Hemisphäre kann als unser emotionales Selbst verstanden werden. Zwischen beiden gibt es viele neuronalen Verbindungen. Wenn uns z. B. jemand lobt, dann verstehen wir nicht nur die Worte, wir fühlen uns auch besser und umgekehrt.

Michael Gazzaniga hat sich über Jahrzehnte mit der experimentellen Untersuchung von Split Brain Patienten beschäftigt und hat auf der Basis dieser Arbeit die Idee des ‚Interpreter’ entwickelt. Das ist der Teil von uns, der eine einheitliche Interpretation unserer Welt und Selbsterfahrung hervorbringt.

Er kam zu dieser Idee, dadurch, dass er die Split Brain Patienten fragte, wie sie sich erklärten, dass sie offensichtlich etwas wussten, (ihre isolierte rechte Hemisphäre hatte etwas erkannt, konnte es aber nicht an die linke, bewusste Gehirnhälfte weiterleiten), was ihnen nicht bewusst war. Alle Befragten erzeugten sofort eine scheinbar rationale Erklärung.

So wurde z.B. einem Patienten das Wort ‚ROT’ über das rechte Sehfeld in die linke Hemisphäre eingespielt. Er wusste also, dass er das Wort rot gelesen hatte. In das linke Sehfeld, also in die rechte Hemisphäre wurde das Bild einer Banane eingespielt. Er wurde dann aufgefordert: „Malen Sie was Sie sehen.“ Er mahlte eine Banane mit einem roten Filzstift. Dies ist erst einmal überraschend, da Bananen gelb sind. Auf die Frage, warum er eine rote Banane gemahlt hat, antwortet er: „Ich weiß nicht … , mit der linken Hand ist eine Banane am einfachsten zu malen.“

Ein weiteres Experiment ist in unserem Zusammenhang von Interesse. Man zeigte den Patienten 40 Bilder, die hintereinander eine kleine Geschichte erzählen; z.B. die Aktivitäten eines Mannes kurz nach dem Aufstehen. Dann zeigte man ihnen eine neue Reihe von Bildern in denen sowohl die alten Bilder vorkamen, als auch solche, die nicht gezeigt wurden, aber zu der Story passten und solche, die keinen Zusammenhang mit der Geschichte hatten. Die linke Hemisphäre hat natürlich die Story erkannt und erkannte alle Bilder als falsch, die nichts mit der Story zu tun hatten, tendierte aber dazu Bilder, die, diesie nicht gesehen hatten, die aber zu der Story passten als ‚gesehen’ zu interpretieren.

Ganz anders die rechte Hemisphäre. Sie interpretiert nicht, sie entwirft keine Story und ist daher viel besser in der Lage die falschen, aber ‚passenden’ Bilder als nicht gesehen zu erkennen.

Bei einem anderen Experiment wurde den Patienten ein beängstigender Film in die rechte Hemisphäre eingespielt; die linke sah nur eine weiße Fläche. Auf die Frage, was sie gesehen haben, antworteten sie: „Eine weiße Fläche.“ Allerdings fühlten sie sich irgendwie ängstlich. Und sie versuchten dieses Gefühl mit dem Raum, dem Versuchsleiter usw. zu erklären.

D.H. der Interpreter in der linken Hemisphäre versuchte sofort eine einigermaßen plausible Erklärung für die Situation zu erzeugen.

Gazzaniga zieht aus seinen Experimenten folgende Schlussfolgerungen:

  • • Der Interpreter ist nur so gut wie die Daten, die er bekommt.
  • • Unsere Realität ist virtuell.
  • • Läsionen verschiedener Gehirnareale verhindern, dass der Interpreter die geeigneten Informationen erhält und so z.B. nicht in der Lage ist seine eigene Hand zu erkennen.
  • • Die erlebte Einheit unserer Erfahrung ist das Produkt einer speziellen Region in der linken Hemisphäre, dem Interpreter.
  • • Der Interpreter ist eine Spezialisierung in der linken Hemisphäre, die mit unserer Sprachfähigkeit zu tun hat, und nur wir Menschen haben diese Fähigkeit. Es ist der Trigger für unsere Überzeugungen – beliefs.
  • • Wir bilden unser Weltmodell, nachdem unbewusste Prozesse in unserem Gehirn die Daten aufbereitet haben.
  • • Der Interpreter erzeugt die Bedeutung relativ zu den Daten, die er bekommt und relativ zu dem Situationsverständnis, welches er schon hat.

Weitere interessante Forschungsergebnisse 

Wir wissen heute, dass unsere Fähigkeit uns selbst im Spiegel zu erkennen erst zwischen dem 18 und 24 Monat auftaucht. Und wir wissen, dass die meisten Tiere dazu überhaupt nicht in der Lage sind. D.h. sich seiner selbst bewusst sein, setzt einen bestimmten Entwicklungsgrad unseres Gehirns voraus.

Gordon G. Gallup, Jr., ein Psychologe an der University at Albany, entwickelte den Spiegel-Test zuerst für Tiere. Er wollte wissen ob und wenn ja, welche Tiere sich im Spiegel selbst erkennen können. Wir wissen heute, dass außer uns Menschen auch Schimpansen und Orang Utans bestimmte Delphine und die Elster den Test bestehen.

Er stellt fest, dass es diese Form des Selbstbewusstseins ist, die es uns ermöglicht ein Bewusstsein von unserem eigenen Tod in der Zukunft zu haben. Und vielleicht ist es gerade diese beunruhigende Gewissheit, die uns dazu veranlasst hat, quasi als Kompensation, die Idee eines unsterblichen Selbst zu entwickeln.

Wir haben weiter oben erwähnt, dass wir normalerweise unser Ich hinter unseren Augen lokalisieren. Wenn man aber eine Brille auf hat, die in jedes Auge ein Bild zeigt, dass von zwei Kameras hinter uns aufgenommen werden, dann haben wir den Eindruck, dass unser Ich hinter uns ist. Wir haben sozusagen ein virtuelles Out of Body Erlebnis. Wenn wir die Brille wieder abnehmen haben wir das Gefühl als ob – unser Selbst – in den Körper vor uns hineingezogen worden ist.

Diese Experimente kann man aber noch einen Schritt weiter treiben. Jetzt sind die beiden Kameras auf dem Kopf des Versuchsleiters. D.h. die Versuchsperson sieht sich selbst aus der Perspektive des Anderen. Wenn dieser uns jetzt die Hand reicht und wir sie schütteln, wie bei einer normalen Begrüßung, dann erscheint sein Arm als der eigene. Wenn jetzt jemand mit einem Messer über die Hand des Versuchsleiters streicht, dann bekommt man sofort Angst geschnitten zu werden.

D.h. unser Interpreter versucht aus den Daten Sinn zu machen. Und wenn wir uns von hinten sehen, dann macht es Sinn davon auszugehen, dass wir dort sind und wenn wir uns aus der Perspektive eines anderen sehen, dann macht es Sinn davon auszugehen, dass unser Selbst in einem anderen Körper ist.

Wir wissen heute, dass unser Unbewusstes oder besser Teile unseres Gehirns, dessen Aktivität uns nicht bewusst ist, bis zu sechs Sekunden bevor uns bewusst wird welche Entscheidung wir treffen wollen, bereits entschieden hat, wie wir uns entscheiden werden.

Das dazugehörige Experiment ist sehr einfach. Ein Proband wird in einen Scanner gelegt und er hat die freie Wahl, wann er den linken oder den rechten Knopf drücken möchte. Die Wissenschaftler, die währenddessen das Gehirn beobachten können an einer bestimmten Gehirnregion bereits sechs Sekunden vorher sehen, wie wir uns entscheiden werden.

In diesem Sinne ist das bewusste Ich-Erlebnis – ich entscheide wann ich welchen Knopf drücke – ein Epiphänomen darunter liegender Gehirnaktivität.

Zusammenfassend können wir sagen, dass uns die Gehirnforschung dazu drängt die Vorstellung von einem Selbst, dass wie eine eigene Substanz unser eigentliches Wesen ausmacht und den Tod überdauert nur noch schwer aufrecht zu erhalten ist.

D.h. das Selbst wird heute als Prozess verstanden, als ein Selbstmodell, das sich das Gehirn in seinem Entwicklungsprozess, d.h. sowohl evolutionär, als auch individuell, schafft.

Selbstbewertung

Um zu wissen, was für eine Person wir sind, bzw. wie gut oder schlecht wir bezüglich einer Tätigkeit sind nutzen wir Vergleiche. Die Vergleichsmaßstäbe können rational oder irrational sein, aber da wir sie selbst ausgesucht haben erscheinen sie uns rational. Für den Fall, dass diese Maßstäbe uns von außen aufgezwungen wurden, können wir uns entweder mit diesen Autoritäten nachträglich identifizieren oder dagegen rebellieren, aber damit verliert der Maßstab nicht automatisch seine Gültigkeit für uns.

Einer der ersten Sozialpsychologen, der diese Art von Vergleichen empirisch untersucht hat, war Leon Festinger.

Diese Maßstäbe haben Einfluss auf unser Lernverhalten und den Grad unser Selbstakzeptanz. Dies gilt für jeden Trainer sowie für seine Schüler. Es ist daher wichtig, dass der Trainer ein gutes Beispiel für sinnvolle Formen der Selbstbewertung darstellt und seine Schüler dabei unterstützt selbst sinnvolle Maßstäbe für sich selbst zu entwickeln.

Selbstbewertung führt fast immer zu einer Art Ranking: „Ich bin besser/schlechter als X.“ Da man fast immer jemanden finden kann, der bezüglich der in Frage stehenden Eigenschaft/Fähigkeit besser ist, führt diese Art von Vergleich sehr leicht zu Selbstabwertung. Sucht man sich aber einen objektiven Standard den man erreichen kann, dann besteht die große Chance, dass man mit sich selbst zufrieden ist, wenn man diesen erreicht hat.

Jeder Vergleich hat sowohl kognitive als auch emotionale Konsequenzen. Wenn man sich z.B. mit jemandem vergleicht, der besser Tennis spielt als man selbst, dann ermöglicht dies Einsichten darin, was der andere besser macht, um besser zu sein. Wir können davon lernen und versuchen ihn zu modellieren. Wie wir uns dabei fühlen hängt von vielen Variablen ab.

Vergleichen wir uns mit jemandem, der schlechter ist als wir selbst können wir davon wenig lernen, fühlen uns aber vielleicht gut dabei.

Abraham Tesser, ein amerikanischer Psychologe entwickelte sein self-evaluation maintenance model um die Motive für self-enhancement zu erforschen. Dabei interessierten ihn Fragen wie:

  • Wie geht es dir, wenn ein Freund bei etwas, was dir selbst wichtig ist, besser ist als du?
  • Wie geht es dir, wenn ein Freund bei etwas, was dir selbst nicht wichtig ist, besser ist als du?
  • Wie geht es dir, wenn ein Fremder bei etwas, was dir selbst wichtig ist, besser ist als du?
  • Wie geht es dir, wenn ein Fremder bei etwas, was dir selbst nicht wichtig ist, besser ist als du?

Diese Fragen stellen sich im Rahmen von Lerngruppen, wie z.B. eine NLP-Ausbildung, bewusst oder unbewusst fast automatisch.

Seine Beobachtungen zeigten, dass es für uns umso schwieriger ist uns für einen anderen zu freuen, wenn er etwas besser macht als wir, wenn wir zu dieser Person eine enge persönliche Bindung haben und diese Tätigkeit für uns selbst sehr wichtig ist.

Er fragte sich auch wie das Verhältnis von Self-Enhancers vs. Self-Verficaters ist. Self-Enhancers sind Menschen, denen es wichtig ist, dass sie positives Feedback bekommen, selbst wenn es nicht wahr ist. Self-Verficaters sind Menschen, die es vorziehen, dass sie Feedback bekommen, welches ihr schon vorhandenes Selbstbild bestätigt.

Diese Forschungen wurden von B. Swann u.a. weitergeführt. Sie baten ihre Probanden:

  • Fünf Qualitäten aufzulisten und diesen einen Wert zuzuordnen, der angeben sollte, wie hoch diese Qualität bei ihnen ausgeprägt ist.
  • Sie sollten auch angeben, wie sehr sie es genießen würden Feedback bezüglich der Qualität zu bekommen, die sie selbst am höchsten bzw. am geringsten bewertet haben.

Es war wenig überraschend, dass die Teilnehmer lieber Feedback über ihre positivsten Eigenschaften bekamen. Wenn man sie aber Feedback zu beiden Extremen bekommen würden, wie gerne würden sie dann angenehmes bzw. unangenehmes Feedback zu den beiden Extremen hören. Doppelt so viele der Probanden wollten lieber angenehmes Feedback über ihre positiven Eigenschaften hören. Allerdings wollten die meisten lieber unangenehmes Feedback über ihre schlechteste Eigenschaft hören.

Sie argumentierten wie folgt: „Ich weiß ich bin nicht gut in X. Wenn ich kritisches Feedback diesbezüglich bekomme, dann hilft mir das mehr mich zu verbessern, als wenn ich dafür auch noch gelobt werde.“ D.h. ein positives Feedback wäre unglaubwürdig und würde dem Bedürfnis nach self-verification widersprechen. Dementsprechend erfüllt das positive Feedback bezüglich der Eigenschaften, die die Person selbst als besonders gut einschätzt, sowohl ihr Bedürfnis nach self-enhancement als auch ihr Bedürfnis nach self-verification.

In einer späteren Studie hat man die Probanden nach einem einschlägigen Test in zwei Gruppen eingeteilt, diejenigen mit hohem bzw. niedrigem Selbstbewusstsein, bzw. Selbstwert (selfesteam). Den Teilnehmern wurde dann von den Psychologen sowohl positives als auch negatives Feedback gegeben. Dann wurden die Teilnehmer gefragt für wie zutreffend sie die beiden Sorten von Feedback hielten.

Die Gruppe mit hohem Selbstbewusstsein bewertete das positive Feedback als dreimal so akkurat wir das negative. Die Gruppe mit geringem Selbstbewusstsein bewertete das positive Feedback als weniger akkurat wie das negative.

 

Danach wurden die Versuchsteilnehmer gefragt wie gut sie sich fühlten, nachdem sie das Feedback bekommen haben.

Die Gruppe mit hohem Selbstwert fühlte sich sehr gut. Hingegen fühlte sich die Gruppe mit niedrigem Selbstwert zwar in ihrer Selbsteinschätzung bestätigt, aber trotzdem schlecht.

Fassen wir diese Ergebnisse zusammen:

  • • Wenn wir die Wahl haben wollen wir lieber etwas über unsere guten Qualitäten hören und uns dabei gut fühlen.
    • Self-enhancement
    • Die Entscheidung wird durch affektive Ziele bestimmt
    • Wenn wir uns Feedback über negative Qualitäten anhören müssen, dann wollen wir hören, was wir selbst für wahr halten; aber wir fühlen uns trotzdem negativ, wenn die Wahrheit negativ ist.
    • Self-verification
    • Die Entscheidung wird durch informationale Ziele bestimmt
    • Trotzdem haben wir negative Emotionen

Die self-verification Theorie wurde durch Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz noch verfeinert.